Kooperation in der Weiterbildung macht HoGa-Unternehmen zukunftsfähig: ein Gespräch mit Elke Witzmann vom Weiterbildungsverbund HOGA:Co

39 Weiterbildungsverbunde, 4 davon in Berlin, erhalten vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales eine dreijährige Förderung. Ihr Ziel: Durch Kooperation zwischen den Unternehmen die Weiterbildung besser zu organisieren und die Beteiligung der Beschäftigten zu erhöhen. Berlin Transfer hat mit Elke Witzmann (bildungsmarkt e.V., Koordinierungsstelle des Weiterbildungsverbundes HOGa:Co) über die spezifischen Anforderungen des Hotel- und Gaststättengewerbes gesprochen. Kooperation - statt Konkurrenzdenken - kann selbst in dieser schwierigen Branche gezielte und systematische Weiterbildung möglich machen.


zum Projekt:

Worin besteht genau die Funktion der Koordinierungsstelle?

Der Gedanke hinter den Weiterbildungsverbünden ist, mehr Weiterbildung für Beschäftigte anzuregen. Die der Koordinierungsstelle ist eine komplexe und vielschichtige Aufgabe: Wir wollen zuerst den Weiterbildungsbedarf der Unternehmen erheben. Das Gastgewerbe bildet beim Thema Weiterbildung leider oft das Schlusslicht.

Woran liegt es?

Viele von ihnen sind kleine und mittlere Unternehmen und haben dafür keine Ressourcen. Die Ursachen sind aber nicht voll hinterfragt worden:  Liegt es nur am Geld, oder eher an der Zeit? Oder an den Formaten und Inhalten der Weiterbildung, die wenig auf Arbeitsalltag und Dienstpläne Rücksicht nehmen? Viele melden uns, dass das klassische Tagestraining von 8 bis 16 Uhr überhaupt nicht mit der Arbeitszeit kompatibel ist. Die Zwischenprüfungen für die Köche beispielsweise sind oft morgens um 8, selbst wenn sie bis spät abends arbeiten mussten. Diesen verschiedenen Fragen und Einwänden gehen wir nach. Welche Weiterbildungsbedarfe gibt es?  Welche Faktoren verhindern Weiterbildung? Einmal dies erhoben, monitoren wir auch die Weiterbildungslandschaft: Welche Angebote stehen diesen Bedarfen gegenüber? Und passen Nachfrage und Angebot überhaupt zusammen? Das kann Weiterbildungsanbieter motivieren, ihre Angebote den aktuellen Bedarfen der Branche anzupassen. Wir konzentrieren uns dabei auf die Weiterbildung, denn es gibt schon sehr gute Strukturen, die die Ausbildung fördern und stützen.

Die HoGa-Branche litt schon vor der Pandemie an chronischem Fachkräftemangel. Gelingt es Ihnen, diese Unternehmen, die oft unter großem Druck arbeiten, von den Vorteilen der Weiterbildung zu überzeugen?

Die kleinen Unternehmen haben kaum Personalentwicklungsstrategien, wenn schon, dann eher in Form von Mitarbeiter*innengesprächen. Wenn wir sie fragen, welche Kompetenzen oder Qualifikationen im Unternehmen fehlen, können sie oft gar nicht antworten. Meistens fehlt eine langfristige Perspektive in Sachen Personalentwicklung. Wir versuchen, herauszufinden, welche Lerninhalte sie brauchen (zum Beispiel Technik und Digitalisierung) und welche Lernformate mit den spezifischen Anforderungen der Arbeitszeit besser zu vereinbaren sind. In der formellen Weiterbildung tut sich diese Branche schwer. Allerdings konnte die Hotel- und Gastwirtschaft immer besser als andere Quereinsteiger ‚on the Job‘ anlernen, also informell ausbilden. Auch Menschen mit den unterschiedlichsten Fähigkeiten oder welche, die sonst auf dem Arbeitsmarkt nicht so viele Chancen hatten, konnte diese Branche mehr als andere integrieren. Faszinierend ist an der Hotel- und Gastwirtschaft auch, dass Menschen in der dualen Ausbildung, die clever und ehrgeizig sind, schnell Aufstiegschancen erhalten, viel schneller als in anderen Branchen. Auch junge Menschen, viele Frauen dabei, erreichen sehr schnell Teamverantwortung und Führungsfunktionen. So war es zumindest vor der Pandemie.

Wie hat sich die Pandemie speziell auf die HoGa Branche ausgewirkt?

Viele Arbeitskräfte sind abgewandert, haben sich von der Branche verabschiedet und es ist zu bezweifeln, ob sie wieder zurückgehen werden. Die Ausbildungsjahrgänge haben auch sehr stark gelitten. Im ersten Lockdown hatten die Firmen sehr viele Azubis, die in der Probezeit waren. Diese sind entlassen worden oder haben sogar selbst abgebrochen und sich lieber in eine andere Branche umorientiert. Und dann, im letzten Herbst, sind die meisten angebotenen Ausbildungsplätze frei geblieben. Das bedeutet, zwei Jahrgänge Azubis fehlen, und die Abwanderung aus der Branche verschärft noch zusätzlich den Fachkräftemangel. Wie akut die Lage seit dem sog. ReStart ist, zeigen die vielen Schilder, die vor fast jedem Berliner Restaurant und Café hängen und mit denen nach Personal gesucht wird.

Wie können Sie gerade in so einer angespannten Lage Unternehmen für das Thema Weiterbildung sensibilisieren?

Wir laufen bei den Unternehmen zurzeit mit dem Thema Weiterbildung nicht gerade offene Türen ein, da sie eher mit existenziellen Sorgen zu tun haben. Wir vermitteln Ihnen aber unsere Beobachtungen darüber, welche Unternehmen einigermaßen gut durch die Pandemiezeit gekommen sind. Das waren solche, die flexibel reagieren konnten, die ganz schnell auch mit Hilfe von Digitalisierung neue Angebote machen konnten, zum Beispiel mit Online-Bestellung. Dafür sind aber Mitarbeiter*innen nötig, die das umsetzen können. Unternehmen können flexibel sein und kreative Lösungen finden, wenn sie gut ausgebildetes Personal haben, das motiviert ist, sich in Prozessen einzubringen. Und hier kommt Weiterbildung wieder ins Spiel. Die Unternehmen, die schon vor der Pandemie eine gute Kommunikation mit ihren Mitarbeiter*innen hatten, haben es auch im Lockdown geschafft: da sind nicht so viele weggegangen. Daher ist langfristige Personalentwicklung heute wichtiger denn je.

Wie wollen Sie es ermöglichen, dass Erfolgsgeschichten auch kommuniziert und mit anderen geteilt werden?

Wir bieten sehr viele Formate an, in denen Austausch möglich ist. Zum Thema Digitalisierung wird es Fach- und Experimentiertage geben, bestenfalls in Präsenz, notfalls hybrid, bei denen man zusammenkommen und Dinge ausprobieren wird: beispielsweise eine VR-Brille aufsetzen oder KI-Funktionen erleben. Das sind Dinge, die vielleicht für viele Unternehmen noch Zukunftsmusik sind. Dennoch ist es wichtig, mit sowas in Berührung zu kommen. Vor allem aber werden die Unternehmen zusammenkommen und miteinander sprechen. Eine Grundlage dafür ist der Stammtisch für Personalerinnen und Personaler, den wir bereits im Rahmen des Projektes HoGa-Life gestartet, durch die Pandemie hindurch begleitet und jetzt in dieses Projekt überführt haben. Experimentiertage oder Treffen sind synchrone Möglichkeiten des Austausches, die künftig durch asynchrone Formate ergänzt werden sollen.

Was können wir uns unter einem asynchronen Format vorstellen?

Mit unserer Online-Plattform wollen wir Möglichkeiten der asynchronen Kommunikation schaffen, wie einen Chat oder auch ein virtuelles schwarzes Brett, so dass es Möglichkeiten gibt, Infos weiterzugeben, Rat zu suchen oder Fragen zu stellen, die dann später beantwortet werden können. Auch sollten die Inhalte der Treffen oder der Stammtischrunden, die wertvollen Überlegungen und Informationen, die ausgetauscht werden, wenigstens stichpunktartig festgehalten werden, so dass diejenigen, die an dem Tag nicht dabei waren, partizipieren können. Mit dieser Online-Plattform wollen wir virtuelle Räume schaffen, die nicht anonym sein werden, also mit Anmeldung, als Ergänzung zum Stammtisch, der in Präsenz stattfindet. Hier können Infos und Tipps ausgetauscht werden. Es wird eine AG Digitales und eine AG Weiterbildung geben, die auch eine virtuelle Abbildung erhalten werden. Das Kernstück des Projektes sind die Weiterbildungscommunities, bei denen Unternehmen sich zusammenschließen, um gemeinsam Weiterbildung zu organisieren und durchzuführen, sowohl intern als auch in Kooperation mit externen Anbietern.

Wie könnte das in einem konkreten Beispiel aussehen?

Ein größeres Hotel und einige kleinere Häuser schließen sich zusammen und führen in der größeren Küche ein Tagestraining für die Köch*innen aller beteiligten Hotels durch, zum Beispiel über die Zubereitung von Seefischen. Aus jedem Haus würden dann z.B. zwei Köch*innen dazu kommen. Es können aber auch mehrere kleinere Hotels oder Restaurants sein, die sich zusammentun, und sich gemeinsam einen geeigneten Weiterbildungsanbieter aussuchen und schauen, ob sie eventuell dafür gemeinsam Förderung beantragen können.  Abgesehen von fachlichen Themen, können auch Technik und Digitalisierung relevante Lerninhalte sein, so wie auch Gesundheitsprävention und Kommunikation. Was wir mit diesen Aktivitäten erreichen möchten ist, dass sie sich Unternehmen dauerhaft als Verbund zusammenschließen, nicht nur für einzelne Veranstaltungen. Wir leisten am Anfang organisatorische Unterstützung und Hilfe bei der Suche nach Förderung und nach geeigneten Weiterbildungsträgern mit dem Ziel, dass die Weiterbildungsverbünde irgendwann diese Aktivitäten selbständig steuern. Der klare Auftrag an uns als Koordinierungsstelle ist, die Weiterbildungsverbünde an Strukturen anzubinden, in denen sie nach Ablauf des Projektes verankert bleiben und fortbestehen können.

Sind die Sozialpartner in diesem Projekt miteinbezogen? 

Die meisten Weiterbildungsverbünde, die jetzt gestartet sind, werden auch von Kammern oder Verbänden unterstützt. Für unseren Verbund haben wir die Sozialpartner von Anfang an sehr stark miteinbezogen, denn DEHOGA ist mit seiner Akademie auch Weiterbildungsanbieter. Ihr Beitrag ist wichtig, damit diese Online-Plattform auch langfristig funktioniert. Ein DEHOGA-Vertreter war schon bei der Antragsstellung dabei, und DEHOGA und auch die Gewerkschaft NGG sollten sowohl bei den Fach- und Experimentiertagen als auch bei den AGs vertreten sein, damit sie ihre Expertise einfließen lassen.  Die Sozialpartner sind sich sehr einig, dass Weiterbildung der Branche nur Gutes bringt. Die Frage zu beantworten, woran es liegt, dass so wenig formelle Weiterbildung im HoGa-Bereich stattfindet, trägt wesentlich zur Verstetigung des Projektes bei.

Hat Ihr Weiterbildungsverbund eine Kooperation mit Bildungsberatungsstellen?

Noch nicht, aber wir sind dabei, Kontakt aufzunehmen, denn es wird eine sehr wichtige Unterstützung sein. Es gibt in Berlin eine gute Bildungsberatungslandschaft, und sie miteinzubeziehen wird unsere Arbeit erleichtern.

Welche sind die nächsten Schritte?

Es wird voraussichtlich einen übergeordneten Projekt-Beirat für alle Weiterbildungsverbünde in Berlin und Brandenburg geben und wir werden auch eine Steuerungsgruppe installieren. Der erste Fach- und Experimentiertag ist für Ende November geplant: er ist branchenoffen, man muss sich aber anmelden. Dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales ist es sehr wichtig, dass sich die 39 Weiterbildungsverbünde nicht als Insel begreifen: Sie sollten sich mit den anderen austauschen und auch mit den Zukunftszentren kooperieren. Ein erstes Treffen mit den Weiterbildungsverbünden aus Berlin und Brandenburg hat Ende August virtuell stattgefunden, um sich kennenzulernen.

Wie schaffen Sie es, die beteiligten Unternehmen davon zu überzeugen, dass Kooperation letztlich nützlicher ist als Konkurrenz?

Einige der geförderten Weiterbildungsverbünde sind branchenübergreifend, in dem Fall ist das Thema Konkurrenz nicht so akut: bestenfalls ergänzen sich die Firmen mit ihren Angeboten. Aber HOGA:Co  ist branchenbezogen. Hier stellt sich die Frage: Wie schaffen wir es, gegenseitiges Vertrauen zu etablieren, so dass sich die Unternehmen nicht in Konkurrenz zueinander empfinden? Für uns war der vorhin erwähnte Personaler*innen-Stammtisch, den wir im Vorgängerprojekt HoGa-Life ins Leben gerufen hatten, eine wichtige Erfahrung. Es ging hauptsächlich um die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben in der HoGa-Branche.  Am Stammtisch beteiligt waren Mitarbeiter*innen, die Recruiting machen, Personal einstellen, Fachkräfte sichern und Mitarbeiter*innengespräche führen. Es lief außerordentlich gut, man tauschte sich in vertraulicher Atmosphäre über Probleme aus, man wechselte Infos und unterstützte sich im Recruiting oder sogar mit Personaltausch. Ursprünglich war es gedacht, dass wir den Stammtisch mit Ende von HoGa-Life im Oktober 2019 in die Eigenständigkeit entlassen. Aber dann kam die Pandemie und wir fürchteten, dass diese Notlage die Kontinuität in der Kommunikation gefährden würde und, dass die Beteiligten es nicht schaffen würden, sich selbständig zu organisieren. Daher haben wir den Stammtisch aufrechterhalten, online und ohne zusätzliche Kosten. Gerade diesen Stammtisch haben wir jetzt in das neue Projekt integriert.  Die Erfahrung hat nämlich gezeigt: es kann auch miteinander gehen, statt in Konkurrenz zueinander und auf diese positive Erfahrung bauen wir jetzt auf.

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HOGA:Co wird im Rahmen des Bundes­programms „Aufbau von Weiter­bildungs­verbünden“ durch das BMAS gefördert.

www.hogaco.berlin

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